- Monte Albán und seine Grabkammern
- Monte Albán und seine GrabkammernEines der Gebiete, in denen der olmekische Einfluss im 1. Jahrtausend v. Chr. - allerdings ohne direkte Kolonisation - auf fruchtbaren Boden fiel, war das trockene Hochtal von Oaxaca. Hier entstand um 500 v. Chr. im Umfeld verstreuter Siedlungen, deren Bewohner Bewässerungsfeldbau betrieben, nahe der heutigen Stadt Oaxaca ein ungewöhnliches Zeremonialzentrum: Monte Albán. Auf der abgeflachten Spitze eines Hügels entstand im Verlauf von mehr als einem Jahrtausend eine Anlage aus Tempeln, Palästen, Wirtschafts(?)-und Wohngebäuden. Die Bauten ruhen auf künstlichen Plattformen, deren Kern aus Erde und Geröll mit Steinmauerwerk verkleidet wurde. Die Erbauer des Zentrums und der es bald umgebenden Stadt waren Zapoteken, bis heute eines der größeren autochthonen Völker des südlichen Mexiko. An den beiden ältesten Bauten sind annähernd 300 reliefierte Steinplatten eingelassen, die man zunächst für die Darstellungen von Tänzern (»Danzantes«) hielt. Tatsächlich aber sind es Darstellungen besiegter Anführer feindlicher Gruppen - manche versehen mit Namen des Opfers und Datum des Sieges in einer eigenen, von der olmekischen abgeleiteten Schrift. Steinerne Stelen mit Inschriften zu Eroberungen finden sich in Monte Albán auch aus späterer Zeit. Aus der besonderen Art der Ausrichtung von Tempeln in der frühen, vorklassischen Zeit schließen Archäologen auf ein bereits ausgeprägtes astronomisches Interesse der Zapoteken von Monte Albán.Mit dem Ausbau des Tempelbezirks wuchs auch die auf Terrassen an den Flanken des Hügels errichtete Stadt, die zur Zeit ihrer größten Ausdehnung um das Jahr 600 rund 24 000 Einwohner zählte. Ihr Herrschaftsbereich umfasste aber einen Großteil des Hochtals von Oaxaca mit seinen mehr als 350 Dörfern und über 30 000 Einwohnern. Besonders aufschlussreich sind die 170 Grabkammern von Monte Albán, in denen Mitglieder der Oberschicht mit reichen Grabbeigaben beigesetzt wurden. Einige der Grüfte sind mit Wandmalereien, die Götter darstellen, und mit Steinritzzeichnungen ausgestattet.Zu den Grabbeigaben zählen vor allem große Zylindergefäße aus Ton, die an ihrer Vorderseite mit den Abbildern von Gottheiten - oder von Herrschern in der Tracht von Göttern - verziert sind. Aufgrund von Ähnlichkeiten mit den Göttern anderer mesoamerikanischer Völker kann man unter ihnen die üblichen Regen-, Mais- und Feuergötter, aber auch einen Fledermausgott identifzieren. Diese Keramiken sind zweifellos das Werk spezialisierter Handwerker, die im Dienst der Herrscher tätig waren.In den letzten Jahrhunderten der klassischen Blüte von Monte Albán erwuchsen dem Zentrum in anderen Teilen des Hochtals von Oaxaca Konkurrenten, so die Orte Lambityeco und Dainzú, während der Stern der alten Metropole wohl als Folge größerer Veränderungen im Netzwerk des Fernhandels zu sinken begann. Im 8. Jahrhundert war die Bevölkerung der weiterhin als Tempelbezirk und Totenstadt genutzten Stadt auf etwa 4000 geschrumpft. Insgesamt spielten die Zapoteken in nachklassischer Zeit neben den von Westen und Nordwesten ins Hochtal von Oaxaca eindringenden Mixteken politisch nur eine nachgeordnete Rolle, sie verfügten aber noch über wichtige Städte, wie das mit geometrischen Friesen reich geschmückte Mitla, die häufig als Festungen ausgebaut waren. Überdies gaben die Zapoteken dem Druck der Neuankömmlinge nach, indem sie selbst in die Gegend des Isthmus von Tehuantepec auswichen.Die Region von Monte Albán geriet schließlich unter die Herrschaft der Mixteken, die, abgesehen von militärischer Eroberung, auch die Heiratspolitik als Mittel zur Festigung ihres Besitzstands einsetzten. In einer Grabkammer der mixtekischen Epoche fand man einen Schatz von 337 Schmuckstücken aus Gold, Silber, Kupfer, Grünstein, Knochen und anderen Materialien, der die Mixteken als außergewöhnliche Kunsthandwerker ausweist. Vor allem die erst um 900 n. Chr. aus dem zentralamerikanischen Raum übernommene Goldschmiedekunst brachten sie zu großer Perfektion. In der Keramik entwickelten sie einen Stil der mehrfarbigen Bemalung, der mit dem der mixtekischen Bilderhandschriften verwandt ist.Die erhaltenen mixtekischen Kodizes bestehen aus Hirschlederstreifen mit einem dünnen Überzug aus Stuck, die in Leporellofaltung aufbewahrt wurden. Sie sind überwiegend genealogisch-historischen Inhalts, wobei die göttlichen Ursprünge der mixtekischen Herrscherfamilien in mythische Zeiten verlegt wurden. Die geschichtlichen Aufzeichnungen umfassen den Zeitraum vom späten 7. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts und erzählen von den Heldentaten der Herrscher und ihren Eheschließungen.Prof. Dr. Christian F. FeestAlcina Franch, José: Die Kunst des alten Amerika. Aus dem Französischen. Freiburg im Breisgau u. a. 21982.Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. Von Yucatán bis Feuerland. Freiburg im Breisgau u. a. 51992.Lavallée, Danièle und Lumbrerars, Luis Guillermo: Die Andenvölker. Von den frühen Kulturen bis zu den Inka. Aus dem Französischen und Spanischen. München 1986.
Universal-Lexikon. 2012.